Sucht mich…


Eine Erzählung aus dem Sammelband “Lule të gabuara

(aus dem Albanischen von Florian Kienzle)


Er hustete laut. Aufrecht in der Zimmermitte stehend, besah er sich seine Habseligkeiten. Alles hier drin war versifft: die Fensterscheiben, die Wände, und auch der Fußboden.
Draußen war ein Hundewetter, eine jener Nächte, die einen Zweifel in deine Seele trieben: Bist du ein Hasenfuß – oder ein Mörder? Wenn er die Wahl gehabt hätte, wäre Ahmet an diesem Tag lieber ein Angsthase gewesen, er hätte sich in irgendeine Ecke verkrochen und einen ganz prächtigen Schisshasen abgegeben. Es war aber sein Schicksal, hinaus in diese eisige Finsternis zu gehen und den Mörder zu spielen, wie die in den Cowboyfilmen von once upon a time, und zack! den Revolver zur Hand, ein drohender Blick und he, Männer, komme, was wolle…
Ahmet kratzte sich am Kopf und nahm neben dem wackligen Tisch in der rechten Zimmerecke Platz. Das letzte Mal, dass er einen Job bekommen hatte, war nun bereits drei Wochen her.
Der Nachbar aus dem unteren Stockwerk hatte ihm diesen Gefallen schon andere Male getan, doch vergangenen Abend, nachdem er ihm die Schlüssel für das Müllauto gegeben hatte, hatte er mit gewichtigem Ton hinzugefügt, dies sei das letzte Mal. Ahmet hatte einen Moment lang überlegt, zögernd, ob er widersprechen oder so tun sollte, als habe er nichts gehört? Er entschied sich für letzteres. Es war aber überdeutlich, dass der andere tatsächlich einen Schlussstrich ziehen wollte.
„Hast du mich verstanden oder nicht? Es hat jetzt ein Ende mit dieser Sache, ich will meinen Arbeitsplatz nicht deinetwegen aufs Spiel setzen.”
Als ob er ihm das Müllauto seiner schönen Augen wegen überließ, wollte der Emigrant sagen, oder vielleicht eher, um nicht mitten in der Nacht aufstehen und einen weiteren Tag seines Lebens zwischen Abfällen beginnen zu müssen, ja, wohl doch eher deshalb.
Mario hatte das Geld nicht so dringend nötig, wollte gleichzeitig aber auch nicht seine von der Stadt bezahlte Arbeit verlieren. Und hier kam Ahmet ins Spiel: Er sprang für den echten Fahrer ein und sammelte den Müll des Viertels ein, von halb fünf bis zehn Uhr morgens. Und wenn letzterer sein Monatsgehalt bekam, standen dem Zwischenmann laut Vereinbarung 30.000 Lire am Tag zu. So wusch eine Hand die andere. Der Fahrer Mario schlief nach Herzenslust aus und stand ausgeruht auf, um freudig seine krummen Dinger zu drehen. Der Flüchtling Ahmet quälte sich durch die Fäulnis, kehrte aber in seine Bude mit dem Gefühl eines Menschen zurück, der es doch immer wieder packen würde; einem, der klagen kann: Mein Kreuz ist hin von der Schufterei, zum Teufel damit, wenigstens hab ich was zu beißen.
Der Arbeitslose sah auf seine Armbanduhr: Es war halb eins in der Früh. Viel zu früh, um den Müll einzusammeln, aber Mario hatte ihm gesagt, dass er das Auto morgen für einige andere Angelegenheiten bräuchte, darum musste er sich beeilen und das verfluchte Zeug gegen Eins aufsammeln. In Ordnung? Und was, wenn ein Bulle auftaucht? Es wird kein verdammter Bulle auftauchen. Und wenn doch? Nerv mich nicht und tu, was ich sage. Und wenn sie mich erwischen? Sollen sie dich erstmal erwischen, dann sieht man weiter. Gut, gut, ich pass schon auf, reg dich wieder ab. Schon besser, du nimmst den Mund nämlich ein wenig voll.
Er ging los, nachdem er sich die Mütze tief ins Gesicht geschoben und den Kragen der ärmellosen Jacke hochgeschlagen hatte. Er trat hinaus auf den hässlichen Innenhof zwischen den Wohnblöcken und blieb wie gewöhnlich in der Mitte stehen. Er betrachtete die schweigenden Gebäude, die einer Reihe verunstalteter Pappstatuen glichen. Nun ja, so kalt war es gar nicht. Zu dieser Jahreszeit freuten sich die Menschen in seinem Land, da sie sich nicht mehr über den Frost und den Mangel an Brennholz aufregen mussten. Ahmet lachte leise mit nasalem Ton. Sicher wucherten die Blumen wie wild um diese Zeit. Natürlich nur dort, wo noch eine Blume geblieben war, die nicht für irgendeinen Tee oder Saft herausgerissen worden war, oder auch nur der Freude am Herausreißen wegen. Denn die Menschen besaßen alle Arten von Manien, auf welcher Seite des Meeres sie auch waren. Ein Freund des Hauses zum Beispiel – vor langer Zeit hatte er mit Ahmets Vater (Gott hab ihn selig) Backgammon gespielt – war verrückt nach Blumen und hätte nie jemandem erlaubt, jene anzufassen, die er in seinem Hof hatte, in der Erde oder in Vasen. Allein das Erwähnen des Wortes Ausreißen ließ ihm ein Funkeln in die Augen treten. Er mochte es, einzelne Haare von anderen Menschen auszureißen; Haare an Leberflecken, Augenbrauen, Bärten… Du bliebst stehen, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln, nur so aus Höflichkeit, denn eine gute Nachbarschaft verlangte das. Der Mann redete ruhig und lieb mit dir, ganz normal. Und wenn man es am wenigsten erwartete, fiel er über dich her und riss dir jedes einzelne Haar aus, das in deinem Gesicht hervorstand. Er war zum Schrecken des Viertels geworden, denn nach den Männern hatte er auch angefangen, es auf die Frauen abzusehen, auf jene, die weniger an Frauen als an gealterte Maultiere erinnerten.
Ahmet lachte wieder, diesmal lauter. Teufel, Teufel, sagte er sich, was fallen dir jetzt auch bloß die Geschichten des Haarausreißers ein? Er ließ den Mülllaster an und horchte auf den Motor, der ernsthaft und selbstsicher brummte. Wenn es im Fahrerhäuschen nicht so faulig gerochen hätte, wäre es Ahmet vorgekommen, als ob er in einen jener TIRs gestiegen wäre, die quer durch Europa fuhren. Ahmet Lamaj, europäischer Lastwagenfahrer. Oh Gott, was für einen Namen ihm die Alten da gegeben hatten, Ahmet, den Namen des Urgroßvaters. Er hätte gern einen der modernen gehabt, so wie ein Teil der Gleichaltrigen in seiner Stadt. Adrian, Ilir, Massimo, James, Kevin, etwas in dieser Art. Kevin Lamaj. Nee, ts, ts, das passte nicht zum Nachnamen. Lieber Arben, Arben Lamaj, ja, das passte. Das klang nicht schlecht. Wer weiß, vielleicht hatte Gott auch für ihn ein Wunder in petto. Arben Lamaj, Lastwagenfahrer mit europäischem Führerschein. Was zerbrichst du dir den Kopf? sagte ihm Mutter oft, der Name ist nur eine Hülle, und besser du hast den Namen deines Großvaters als den irgendeines Verstorbenen, den du nie gekannt hast und der wer weiß was für Schrullen gehabt hat. Aber was haben die Toten damit zu tun, Mutter? Die haben sehr wohl etwas damit zu tun, denn alle Lebenden haben Namen von Toten.
Wer zog das Gespräch mit seiner Mutter schon gerne in die Länge? Wenn sie auf ihrem Standpunkt beharrte, gab es niemand, der sie davon abbringen konnte.
Er nahm den üblichen Weg. Am besten war es, von den Hauptmüllsammelpunkten im Stadtzentrum anzufangen. So lief er nicht Gefahr, von einem von Marios Kollegen entdeckt zu werden, den anderen Müllmännern im Auftrag der Stadtverwaltung. Es war zu früh, die anderen schliefen noch, wenn sie nicht auch so übergeschnappt waren wie er. Er sah auf die Uhr, eine Viertelstunde war verstrichen.

„He Mädels, noch ein Kunde und wir sind fertig für heute“, sagte Ekstaza und trug Rot auf die ausgetrockneten Lippen auf. Jasmina warf ihr einen spöttischen Blick zu. Sie stieß mit dem Ellenbogen Natalija an, die den Kunden sagte, sie sollten sie Madonna nennen.
„Hey!“ schrie Madonna, „mach langsam, du tust mir weh, was zum Teufel hast du?“
„Hörst du nicht, was sie sagt? Sie ist müde. Ich kriege Lust, sie zu erwürgen, wirklich. Klar, dass sie müde ist, nachdem sie zwei meiner Kunden geklaut hat.“
„Wer sagt, ich habe sie dir geklaut? Heute haben sie eben nach mir verlangt, Punkt. Wenn sie gewollt hätten, wären sie mit dir gegangen.“
„Mach deine Klappe zu, es stinkt, und ich hab keine Kraft zu streiten.“
„Du hast keine Kraft zu streiten, weil du nicht weißt, was du sagen sollst, aber bei Gott, du wirst dich schneiden, weil du heute auf dem Trockenen geblieben bist.“
Die anderen Frauen verfolgten das Gespräch mit dem fernen Blick von Wachsfiguren. Gott sei Dank war es nicht kalt. Ohne diese Plackerei wäre es beinahe ein angenehmer Abend. Ein Wagen näherte sich. Sie stellten sich in Wartehaltung auf. Das ist meiner, sagte die Mollige von der Elfenbeinküste, ich reiß euch den Kopf ab, wenn ihr näherkommt. Eh, süßes kleines Ding. Die Afrikanerin näherte sich dem offenen Autofenster und wackelte mit den Hüften wie ein Schiffsheck. Steig ein, sagte der Mann zwischen den Zähnen. Kommt drauf an. Jetzt los, steig ein und mach nicht lang rum. Im Auto oder im Hotel? Im Auto. Komplett oder mit dem Mund? Das entscheide ich. Dann entscheid dich, sonst steig ich nicht ein. Oh, hast du ein großes Mundwerk heute, wie du willst, Chance vertan, selbst schuld.
Der Wagen verschwand in der Dunkelheit und die Mädchen blickten ihm nach, ohne recht zu wissen, ob sie lachen sollten oder nicht.
„Wichser.“ Die Afrikanerin stampfte wütend mit dem Fuß auf, aber nur der Absatz verbog sich und ihr Fußgelenk schmerzte. „Autsch. So ein scheiß Freier, auch wenn ich früher mit dem war, immer Sonderwünsche, erst verlangt er die eine Stellung, und was will er dann nicht alles, was du machst.“
„Du bist schuld, dass er dir durch die Lappen gegangen ist.“
„Gut gemacht“, sagte Madonna, die sich als Anführerin fühlte, auch wenn sie niemand danach gefragt hatte. „Solchen Arschlöchern gibst du besser erst gar nicht nach. Und wahrscheinlich stinkt er dort unten auch nach Kloschüssel… bäähhh.“ Sie schüttelte sich.
„Mädels, da kommen neue Schweine, sie sind zu viert.“ Sie drehten den Kopf in die Richtung, wo vier Autos auftauchten.
Romina richtete sich den Rock, den sie von Elfenbeinküste ausgeliehen hatte. Wenn sie diesmal etwas fangen würde, bliebe ihr nach den Abgaben an den Boss noch Geld, um die Schuhe ihrer Tochter zu bezahlen. Sie sprang neben Jasmina und legte ein idiotisches Lächeln auf. Der Freier im anführenden Auto war völlig kahl, dürr und mit hervortretenden Augäpfeln.
„He, Schnecke, nehmt ihr auch Gruppen?“
Na klar, Schätzchen, in allen Farben und Geschmacksrichtungen. Wie stehen die Preise? Die Viertelstunde 30.000 Lire. Gibt es keine Preisnachlässe hier bei euch? He Junge, 30.000 die Viertelstunde, von da an aufwärts. Es hängt auch von den Stellungen ab, schrie Elfenbein. Ruhe da, ich spreche jetzt, sagte Madonna. Romina sah Jasmina an. Ich könnte sterben für eine Zigarette, sagte diese. Kennt ihr eine Stelle, wo keine Bullen sind? Ist das ein Wort, Schätzchen? Ekstaza machte sich daran, in das Auto des Kahlköpfigen zu steigen. Nicht du, schrie der Mann, die Dickarschige, und die da. Er zeigte mit dem Finger auf Romina. Steigt ein.

Elfenbeinküste nahm Romina am Arm und stieß sie in den Wagen. Diese beobachtete aus den Augenwinkeln, wo Jasmina einsteigen würde, die sich auf den Weg zum hintersten Auto machte. Hinter ihnen zurück blieb Madonna, halb so schlimm. Ekstazas Hintern verschwand im vorletzten Wagen.
„Ich zeig dir, wohin du fährst“, sagte Elfenbein, sobald sie den Platz neben dem Freier eingenommen hatte.
Sie drehte sich nach Romina um und machte ihr mit den Augen ein strenges Zeichen, sie solle fröhlicher wirken. Diese hob entschuldigend die Schultern. Der Dürre zog eine Zigarette aus einem silbernen Metalletui. Wohin? fragte er. Geradeaus, fahr geradeaus, ich sag dir wohin, denn wir haben einen sicheren Platz. Der Dürre streckte die Hand aus dem Fenster und gab den anderen ein Zeichen zum Folgen.

Jasmina brachte den dünnen Träger über der rechten Schulter in Ordnung. Wo fahren wir hin? fragte sie der Dicke, der ihr näher gerückt war und nach Schweiß stank. Uh, wie schrecklich, dachte Jasmina in ihrer eigenen Sprache, der stank ja wie ein verwestes Stück Fett. Der Dicke fing an, die Hose zu öffnen. Los, sagte er dem Mädchen, fang an, ich will, dass mir anständig einer abgeht, mach schon. Er zog von dort unten ein gerötetes, grausames Ding hervor. Jasmina schüttelte sich, Gott sei Dank war das der letzte. Um Himmels Willen. Wo fahren wir hin, sagst du? Der Fette nahm ihre Hand und legte sie auf sein Geschlechtsteil, das Kutteln glich, und das Mädchen überwand sich. Sie fing an und sah dabei dem anführenden Auto nach, wo von Zeit zu Zeit Ekstazas Kopf auftauchte, die mit ihrem Freier beschäftigt war.
„In der Nähe der Müllsammelstelle“, antwortete Jasmina und bat zu Gott, der andere möge bald abspritzen und nicht auch noch nach Blasen verlangen. „Da kommen keine Bullen vorbei und unsere Chefs haben es leichter, uns aufzusammeln, falls mit den Schweinen was schief läuft.“
„Eh, pass auf, was du sagst, komm schon, nimm ihn in den Mund.“
„Nein“, entgegnete Jasmina, „der Chef hat es uns verboten.“

„Hübscher“, sagte Madonna, „lass uns noch mal klarstellen, wie die Dinge stehen. Ich bin die Chefin der… Gewerkschaft von uns fünf, und ich sage, dass während der Fahrt nichts läuft, weil Unfälle passieren können, klar?“
„Zieh wenigstens den Slip aus.“
Der Mann stotterte. „Vorsicht“, sagte sich Madonna, lach ihm nicht ins Gesicht.
„Wenn mich nicht alles täuscht, hatten wir schon einmal das Vergnügen“, sagte der Stotterer. Das Auto fuhr in ein Schlagloch; Freier und Prostituierte hüpften auf den Ledersesseln.
„Nein, wir sehen uns zum ersten Mal. Verlier das Auto vor uns nicht aus dem Blick, sonst verirren sich auch die hinter uns.“
Sie hielten vor einer Ampel, die aussah wie ein an Masern erkranktes Kind. Madonna wandte sich um und machte die anderen Mädchen aus, Ekstazas Kopf voll wilder Locken, weiter die glatten, engelsgleichen Haare Jasminas, der schönsten von den fünf.
Zieh den Slip aus, ich will dich anfassen, fing der Stotterer wieder an. Madonna zog die Unterwäsche aus, der andere stieß mit der freien Hand in ihre Scham und grinste von Herzen. Das Auto roch nach teurem Deodorant.

Elfenbein hielt mit Geschwätz den Dürren im Zaum und Romina sagte sich, dass an Elfenbeinküste eine Lehrerin oder Radiosprecherin verloren gegangen war, mit all diesen schönen Worten, die ihr in den Sinn kamen, überhaupt nichts von einer Nutte, eher wie eine, die studiert o-oh, jetzt hat er es ihr mit dem kleinen Finger gemacht. Der Dürre drückte die Kippe aus.
„Ist es noch weit? Damit ihr es wisst, die Zeit im Auto bezahle ich nicht.“
„Wir sind fast da, Schätzchen, keine Sorge.“
Elfenbein streichelte ihm die Glatze und er setzte ein idiotenhaftes Grinsen auf. Sie näherten sich einer verlassenen Gegend, in der Nähe einiger Müllcontainer, der Wald begann ein paar Schritte weiter, bedrohlich und beschützend.
„Wieso hier?“ fragte der Dürre misstrauisch.
„Hier lassen wir unsere Kleider, die wir nach der Schicht anziehen, Herzchen, und weil ihr Jungs die letzten seid für heute, machen wir Schluss, nehmen unsere Sachen und ihr setzt uns im Zentrum ab. In Ordnung?“
„In Ordnung.“
Die anderen Wagen hielten in einer Reihe, jeder bemüht, den Strahlen eines halb kaputten Blaulichts auszuweichen, das zur Linken der Container sichtbar war. Ein Rettungswagen zerriss die Nachtluft mit einem hexenhaften Geheul und verschwand Richtung Stadtzentrum, so, wie er gekommen war, blitzartig. Verfickte Scheiße, rief einer der Kunden. Die Mädchen lachten. Lasst das Grinsen. Die Mädchen kicherten weiter. Ach, was für ein Thelma & Louise-Gehabe, sagte Madonna in Richtung der Kolleginnen. Nerv uns nicht auch du noch mit diesem Film, schrie Jasmina. Was haben Thelma und Louise damit zu tun? Als wären wir in Amerika. Mit wem rede ich überhaupt, versteht ihr ja eh nicht, dann sterbt eben dumm. Verreck du doch, bei Gott, entgegnete ihr Ekstaza, aber ihr Kunde hatte das Autofenster nicht geöffnet, so dass ihre Stimme als sinnloses Wollbällchen aus dem Auto drang.
Der Dürre aus dem ersten Wagen hob den Arm in Richtung seiner Jagdgefährten.
„Aber jetzt fängt die Bezahlung an, wir sehen uns nach einer Viertelstunde und keine Minute mehr.“
Romina sah von hinten auf seine Glatze und verspürte irgendwie Mitgefühl. Ihr Großvater hatte die gleiche friedliche Glatze, glänzend, wie eine Süßspeise. Eine solche Glätte konnte nur neutral sein, unschädlich.
„Du ziehst dich ganz aus“, sagte der unschuldige Glatzkopf zu Romina, „setz dich auf mich und steck ihn ordentlich rein. Du, Afrikanerin, lutsch an den Titten von der Kleinen da, aber stell es so an, dass ich euch beide gut dabei sehe.“
„Okay, Schätzchen.“ Elfenbeinküste sah Romina ins Gesicht, doch ihr Blick war leer und weit weg. „Das will er, also machen wir’s. Romina, runter mit den Sachen.“
Und das taten sie. Während sie an der kleinen, zarten Brust Rominas saugte, betrachtete Elfenbeinküste den schmutzigen Tanz der Körper in den anderen Wagen. Das blinde Neonlicht verlieh den Profilen das Aussehen eines chinesischen Schattentheaters, wenn auch ohne dessen Anmut.
Ekstaza stöhnte, ja, ja, so mein kleines Vögelchen, so, hier, noch ein bisschen, gleich kommst du, kleines Schätzchen.
Jasmina tanzte mit erhobenen Armen, schweigend, sie ähnelte den Ballerinas Maurice Béjarts, doch sie war keine solche Ballerina, sie war eine Nutte wie ihre vier Kolleginnen, und nun wäre die Vorstellung auch bald zu Ende und sie nur ein wenig angeschmutzter als zuvor. Nur Ein Wenig Angeschmutzt. Nur Ein Wenig.
„Uh“, sagte Elfenbeinküste dem Dürren, „meine Kiefer tun weh und du hast wohl gar nicht die Absicht, zu kommen.“
Ich besorg’s dir, weiter, mach schon, sabberte der Dürre und Romina schwang sich auf das kurze, dicke Geschlechtsteil des Opas, ihr Loch tat nur an den Seiten weh, aber nicht ganz oben, gottlob, oh wenn sie jetzt bloß etwas Wasser mit Kamille hätte, um diesen brennenden Schmerz zu beruhigen. Hey hey hey, was ist das für ein Lärm.
„Die Bullen“, zischte Elfenbeinküste.
„Wah, die Bullen“, jammerte Ekstaza.
„Sie haben uns erwischt“, sagte Madonna und wischte sich die übelriechenden Lippen ab.
Die Kunden verkrochen sich tief hinter den Sitzen, um nicht von den Fenstern aus gesehen zu werden, und begannen, nach ihren Hosen zu suchen, die ihnen bis zur Ferse herabgefallen waren.
Doch niemand hielt in der Nähe der hurenden Karawane. Nur zwei Scheinwerfer teilten wie gewaltsame leuchtende Stümpfe die Dunkelheit, die in den Wagen herrschte, und sie kauerten sich noch mehr zusammen. Der Dinosaurier dröhnte ein paar Sekunden – die Mädchen machten den großen Höcker eines Müllautos aus – und hielt an. Ein schlanker Mann sprang flink auf den Boden und machte sich auf in Richtung Container.
„Was für ein scheiß…“ Der Dürre verharrte mit seiner Hand unter den Arschbacken, während er nach dem Schlüpfer einer der Huren suchte. Der Schatten des Mannes nahm einige Säcke und warf sie in den geöffneten Bauch des Lasters. Er musste jung sein, nach der Art, wie er sich bewegte, es war nichts eingerostet in seinen raschen Bewegungen. Romina zog das fleischige schmierige Ding aus sich raus, das wie mit Bodensatz getränkt zu sein schien, und mit dem sie sich bis jetzt hässlich gemacht hatte – der Dürre widersprach nicht. Er hob Elfenbeins Schlüpfer auf und reichte ihn ihr. Diese zog ihn mühsam an.
„Weiter, weiter, sag ich“, brüllte unerschrocken Jasminas Kunde, diese senkte den Blick und sah ihn ungläubig und entsetzt an, fügte sich aber. Die Schatten der anderen Freier waren wie gefroren in Richtung des Waldes, dem Schweigen entströmte.

Ahmet horchte auf das Universum. Es heulte, aber von fern, wie jene Bestien, die mit dem Auge ihr Opfer abschätzen, bevor sie es zerfleischen. Von mir ist nichts mehr zu holen, Unglückselige, sagte er mit lauter Stimme. Es war ein völlig sinnlose Nacht, wie taub, als wären die Menschen von Bologna, die für gewöhnlich so viel Krach machten, vom Erdboden verschluckt. Er holte tief Luft und warf einen Blick auf den Mond, der ein schwaches Signal von Anwesenheit aussandte, jenseits der dichten Wolken, doch ohne es zu wagen, die Bastarde zu durchstoßen.
Der Mann hüpfte, um sich aufzuwärmen, obwohl er die Kälte nicht spürte. Er fuhr fort, mit aller Kraft die stinkenden Säcke in den Laster zu schmeißen. Nach getaner Sache und als er sich daran machte, aufzubrechen, fiel sein Blick auf einen einzelnen Sack mit leuchtend greller Farbe. Er überlegte einen Moment, dann griff er ihn sich und hievte ihn auf die Spitze des Haufens. Er sprang ins Fahrerhäuschen und hupte, nur so, um etwas zu tun… Ah, gelobt seist du Mario, dass du mir das Auto gegeben hast, lächelte er. Nun hatte er ohne große Anstrengung 30.000 Lire verdient, und die zuhause hätten fürs erste etwas, von dem sie zehren konnten. Er machte zwei Kopfrechnungen und fuhr eilig los. Zwei Haufen Müllsäcke warteten noch auf ihn, die musste er im Hauptzentrum abladen, und dann nichts wie nach Hause. Als er in den Rückspiegel sah, um wieder auf die Hauptstraße zu kommen, fiel sein Blick im Streifen auf die schwarze Wagenkolonne, etwa 20 Meter weit entfernt. Es werden Pärchen sein, dachte er und stieß in die Nacht, während er ein Lied aus Mittelalbanien vor sich hin pfiff.


(weiter)


Print pagePDF pageEmail page